Lost in Regensburg

(Die Ursprungsidee von „Lost in …“ ist ein wenig anders. Einer Stadt wie Regensburg wird sie nicht gerecht, deshalb habe ich mich hier für eine andere Herangehensweise entschieden).

 

 

2017 (Ende Oktober)
Ein herbstliches Romantik-Wochenende verbringen – das war der Plan meiner Frau. Wissend, dass sie mit mir unterwegs ist. Natürlich kam alles anders.

Die Hinfahrt: viel über Landstraße. Zu Beginn der Herbstferien loszufahren, war natürlich ein Fehler. Ich bin viel Landstraße gefahren. Entlang der B299, bei Einbruch der Dunkelheit, war es inspirierend. Verfallene Brauereigasthöfe in kleinem Dorf, von Wald und Wiese umgeben, etc. (Manche würden es auch „unheimlich“ nennen).
Fazit: 2h Fahrzeit, was normalerweise in 1,5h geht. Also nicht schlecht, für ein Monster-Stau-WE.

Samstag: erstmal schön frühstücken gehen, in eins der vielen französischen Cafés/Brasserien/Restaurants, von denen es hier so viele gibt.

Dazu müssen wir die schöne blaue Donau überqueren, über die berühmte Steinerne Brücke.
Da Romantik bekanntlich im Auge des Betrachters liegt, verweilen wir schon lange vor der Altstadt. Das Gebäude einer ehem. Maschinenfabrik (Steinweg), die Schleuse Regensburg in Betrieb (Protzenweiherbrücke), Getränkemarkt Schock (Andreasstraße. Der heißt wirklich so), und das Colosseum (Am Brückenbasar), das nicht mal einen Hauch von Ähnlichkeit mit antiken Stadien hat, sind ein guter Start.

 

Die Steinerne Brücke ist zur Renovierung verpackt, und die Donau alles andere als blau. Das Wasser mischt sich hinter den Pfeilern, zu kräftigen Strudeln, und ein kalter Wind pfeift uns um die Ohren.

Bemalte Wände, leckere Kleinspeisen, guter Kaffee und freundlicher Service. Wir haben uns sehr wohl gefühlt.

 

Nach ein wenig Labyrinth finden wir den Dampfnudel Uli (Watmarkt 4), doch der öffnet sein Lokal erst um 10:31. Bei ihm einen Platz zu finden ist nicht einfach, deshalb wollen wir früh da sein.

Der Dom ist nur ums Eck. Regensburg war eine der einwohnerstärksten und reichsten Städte Deutschlands (10.+11. Jh.). Die Handelswege reichten bis Paris, Venedig und Kiew.
Im trockenen Sommer des Jahres 1135, als die Donau zu einem Bach vertrocknete, begannen die Regensburger mit dem Bau der Steinerne Brücke, die endlich beide Arme der Donau überspannte. Zwischen Ulm und Wien war sie die einzige. Dies führte zahlreiche Händler in die Stadt, die hier ihren Weg nach Nord oder Süd nahmen, Wegezoll zahlten, und der Stadt einen sagenhaften Wohlstand brachten.
Der Dom St. Peter zählt zu den bedeutendsten gotischen Kathedralen in Deutschland.
Dazu stehen hier zahlreiche romanische Kirchen. Nur: ohne Plan und ohne Vorbereitung scheitere ich natürlich an den Öffnungszeiten.

o.M.: Im Dom wirkt so manches Gesicht richtig verloren

l.u.: Romanik gibt es noch viel mehr, aber ich scheitere an den Öffnungszeiten

r.u.: "Ghost Rider"


Um 10:31 sind wir wieder beim Dampfnudel Uli, im EG eines Turmes. Diese „Geschlechtertürme“ drückten den Wohlstand ihrer Erbauter aus – je höher, desto reicher. Das erklärt ein „Local Guide“ einer Gruppe Touristen (aber das wussten wir schon lange). Da wir die einzigen Gäste sind, ratscht und blödelt der Uli mit uns. Er und sein Laden sind ein bayr. Unikat. Die Wände sind voll mit Autogrammkarten von Stars der ca. 70er-Jahre, der volkstümlichen Musik, und manch bayr. Politiker. Trotz Letzterem schmeckt es uns vorzüglich.

Regensburg hat die höchste Kneipendichte Deutschlands – und darauf sind die Einwohner stolz. (Nachforschungen ergeben: die Altstadt hat eine der höheren Dichten – aber immerhin …)
Der kalte Wind macht es ungemütlich, wir schmökern uns durch 2 Buchläden.
(Bei Pustet finde ich kaufe ich: „Methodisch richtiges Trinken“ (wissenschaftliche Tricks und Grundlagen, anschaulich erklärt), und „Das Universum ist eine Scheißgegend“ der Science Busters. Beide nicht gesucht, aber gefunden).

Was wir in den Gassen finden: die ehem. Pferdemetzgerei, 2 herumtummelnde barocke Grazien auf einem Gesims, einen ruhenden Hirschen, die beiden Stadtwächter „Schutz und Trutz“ (beim Immerwährenden Reichstag), den Sportladen Schrott (der heißt wirklich so).
In der ganzen Altstadt sind Spuren des römischen Kastells „Castra Regina“ zu finden. Ihnen auszuweichen, ist fast unmöglich. „Finden statt Suchen“ ist hierfür durchaus geeignet …

 

Schwer zu glauben: zum Abendessen wissen wir nicht recht wohin. Die ganze Altstadt voller Läden, und wir finden nix? Zu voll (und nicht reserviert), zu leer, zu teuer, zu chic, … das ist auch immer ein Drama …
Am Haidplatz ist ein großer Italiener, der nach bar. Wirtschaft aussieht, und freie Plätze hat. Na also! Schnell füllen sich die Tische. Jeder Unentschlossene landet hier wohl …

Ich bestelle etwas Jahreszeitliches. Was ich bekomme: ein wenig Fleisch in Soße, mit ein paar Maronen, an Polenta. Dieser Maisbrei (den ich gar nicht kenne) kommt in ziemlich fester Form, in einer Art länglicher Barren, als Beilage – und ist fester Bestandteil der Küche in Norditalien, v.a. im Veneto. Das hatte ich nicht gesucht, aber gefunden, und es inspiriert mich. So schmeckt der Herbst.

 

Am nächsten Morgen sind Wolken, Regen und Wind gekommen. Nun ist es wirklich ungemütlich. Bleibt uns nur heimzufahren.

Unsere Unterkunft: Green Spirit Hotel.
Neu, sehr gepflegt und kreativ, sehr freundlich und unkompliziert. Garagenstellplatz mitbuchen. Zu Fuß 10-15 Min. In die Altstadt. Absolut empfehlenswert.

 

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Flashback 2011
Wir waren schon mal hier. Beim Westhafen. Auch sehr psychedelisch.
An Donaulände und am Marc-Aurel-Ufer gibt es Street-Art zu bewundern.


Die Historische Wurstkuchl wird von Asiatinnen geführt. Davor stehen 2 osteuropäisch aussehende Ladies zum Tratsch. Die eine hat eine plüschige, schwarze „Pudelmütze“ auf. Bei der anderen sind wir uns nicht sicher, tippen aber schwer auf ihre natürliche Haarpracht, die genauso aussieht.

Am Dom finden wir die Fledermaus, zumindest eine ewige, aus Stein.

 

St. Emmeram ist eine der ältesten Kirchen der Stadt (damals noch außerhalb der Stadtmauern), aus dem 8. Jh. Ich suche romanische Reste, finde sie nur sehr vereinzelt. Die Brüder Adam hatten sie ab 1731 neu gestaltet (für mich ganz persönlich: bis zur Unkenntlichkeit barockisiert).


Weil ich das so brav ertrage, darf ich in einer Sonderausstellung ein paar gotische Handschriften anschauen. Das Plakat entdecken wir am Bismarckplatz, zufällig, ohne zu suchen.

Unsere Bleibe damals: Hottentotten Inn, Auweg (beim Westhafen).

Sehr freundlich und lustig, Speisesaal/Restaurant im Afrika-Stil eingerichtet. Absolut empfehlenswert.