Besançon

Franche-Comté 2022
(Aka: Frosch-Kommittee)

Mai 2022

 

Die erste Auslandsreise nach den Corona-Lockdowns bringt uns nach Frankreich.
In welchem Frankreich waren wir noch nicht, und kommen nicht auf Durchreise vorbei? Der Finger auf der Landkarte zeigt auf die Franche-Comté, also fahren wir da hin.

Was ist die Franche-Comté?
Für Franzosen ist die Gegend bekannt für Mini-Dörfer, teils ohne Infrastruktur (= sogar eine Bushaltestelle fehlt) – in denen manch Kleinod zu entdecken ist, wie traditionelle Bauweisen an alten Höfen und dergleichen.

Der Begriff „Franche-Comté“ wird mit Freigrafschaft übersetzt, und bezieht sich auf Burgund. Historisch war es eine eigene Grafschaft, die zu Zeiten Barbarossas (= ca. 11. Jh.) zum Heiligen Römischen Reich gehört hatte.
Dagegen hatte die Bourgogne, das „richtige Burgund“, immer zu Frankreich gehört.
Und wie die Burgunder nach Burgund gekommen waren, ist eine spannende Geschichte, die ich euch im Anschluss erzähle.

Bei 9° C und Nieselregen fahren wir am 1. Mai los, vorbei an kahlen Bäumen. Am Bodensee entlang – wo alles so schön ist, dass es schon verdächtig erscheint. Rollen im Schwarzwald ins Höllental hinab, wo es schroffer, felsiger und alpiner ist, als ich dachte; vorbei am Parkplatz ‚Goschehobel‘. Sehen 2 Störche und 1 Fuchs (!). Fahren am Rheingraben, wo überall schon Erdbeeren wachsen und Obst angebaut wird (und halten es für das Paradies).


Besançon
Von den Römern, die diese Stadt gegründet hatten, gibt es noch Spuren.
Die Porte Noire ist ein Triumphbogen aus dem 2. Jh. n. Chr., nur wenige Meter vor der Kathedrale.

Kathedrale Saint-Jean
Ab dem 11. Jh., bis ins 16. Jh. immer wieder erneuert. Innen ein bunter Stilmix. Jede Kapelle ist anders ausgestattet.

Ein Kleinod ist die sog. „Johannisrose“, ein ausgehöhltes Becken, das auf das Jahr 1050 zurückgeht (und aussieht wie ein Weihwasserbecken). Angeblich war es Teil eines Altars gewesen – und gilt als einziges erhaltenes Altarbecken in Frankreich. Hier rein wurden die zu weihenden Hostien gelegt (wovon ich noch nie gehört hatte). Das Christus-Monogramm wird von 2 Tieren flankiert, Lamm und Adler (symb. f. Erde und Himmel).

Der Adler könnte auch ein Rabe sein. Die Fabel vom Raben und vom Fuchs ist in Frankreich ab und an als Illustration zu entdecken …
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Astrologische Uhr
Wegen ihr kommt man hierher. Um 1860 hatte Meister Vérité 2 solcher Uhren gebaut. Die erste steht in seiner Heimatstadt Beauvais (wir haben sie damals in Action gesehen, und waren begeistert von der Vielzahl an Spielereien. Steht dort ebenfalls in der Kirche).

Sie zeigt den Tidenhub in versch. Franz. Häfen an, versch. Uhrzeiten, hat eine Reihe Spielereien eingebaut, und treibt auch noch die Turmuhr an.
Klar, was derzeit wegen Reparatur nicht zu sehen ist. Tja.

 

Hier ein paar Eindrücke von ihr, wenn sie läuft (nicht von uns):
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o.l.: Reste des römischen Forums

o.r.: römisches Tor vor Kathedrale

M.: der Zugang zur Astron. Uhr, gesperrt

2.v.u.r.: die "Johannisrose", das einzige in Frankreich erhaltene Exemplar

 


Source d’Allier (15 Min. außerhalb der Stadt)
Wir verpassen den Mini-Parkplatz, fahren die enge Straße weiter ins Dorf Vaire, wo ein altes Schloss steht, das wir ebenfalls auf der Liste haben. Im Dorf gibt es nur 1 enge Ring-Einbahn-Straße, keine Parkmöglichkeit, kein Hinweisschild, gar nichts. Wir fahren zurück, schrecken einen Graureiher zwischen den Kühen auf der Wiese hoch.
Der Mini-Parkplatz, 8 schmale Plätze an einer Mauer, im rechten Winkel von der Straße (= gut versteckt), ist voll. Ein Paar im Alter 50+ sitzt auf der Kofferraumschwelle zum Imbiss. Ohne zu zögern kommt die Frau auf uns zu, sagt auf Englisch, dass wir ihren Platz bekommen. Sie fahren los (= ein wenig früher, nur für uns). Das Kennzeichen gab uns unübersehbar als Deutsche aus – so viel mal zum Uralt-Vorurteil …

Es ist ein schöner Spaziergang in die Hügelwelt. Im Laubwald blüht und grünt alles. Der ganze Boden ist grün. Die Frau reibt und riecht, es knofelt und muss Bärlauch sein, der hier überall wächst. Käfer und Eidechse sind unterwegs, es ist warm (21° C), fühlt sich an wie Sommer. Für uns war es einer der schönsten Programmpunkte. So entspannt waren wir schon lange nicht mehr.


Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie (8,- EUR p.P., von 12:30 - 14:00 muss man aber raus, wegen Mittagspause. Ticket gilt am Nachmittag weiter).

Hier sind die Mosaikböden aus römischer Zeit ausgestellt, mehrere Gemälde, auch ein kleines Kuriositätenkabinett (2 Kästen). Es ist lustig, überschaubar, tut gut.
Dazwischen sind Gemälde von Iris Levasseur (einer interessanten und sympathischen Künstlerin, deren Werk wir hier durch Zufall kennenlernen durften).

Kopfträger („Cephalophore“)
Wer sich schon mal gefragt hat, was das soll (wie ich), dass manche Statue ihren Kopf in der Hand trägt: es stellt meist Märtyrer dar (für ihren Glauben Hingerichtete). Manche von ihnen waren danach noch einige Momente in der Lage sich zu bewegen, was als Wunder gewertet wurde.

o.: römische Mosaikböden, aus der Stadt

2.v.o.: 2 Kästen "Wunderkammer"

3.v.o.l.: Katzen zu Gast im Friseursalon, Kopie des Werks im Wiener Kunstmuseum - karikiert menschliche Eigenschaften

3.v.o.r.: meine Frau mit iPad, auf Sofalandschaft

4.v.o.: (nach?) Jacob de Backer, "Letztes Gericht". Rechts: Detail. Sieht mir so aus, als habe der Künstler sich da selbst rein gemalt (?)

 

3.v.u.r.: Iris Levasseur

2.v.u.l.: Georges de la Tour "St. Josef, Zimmermann". Ein legendäres Motiv, da es Jesus als Kind zeigt (was nicht oft zu sehen ist)

2.v.u.r.: Paul de Vos, um 1650

u.l.: Zeichnung von Berthe Morisot ("junge Frau")

u.r.: Paul Delaroch: Junge Frau auf Brunnenschale, 1845 (Was in einem Park nicht so alles herumliegt ...)

 

 


Franche-Comté
Was ist cooler, als eine fremde Stadt zu erkunden? Ja: das Umland entdecken.
Bekannt für nichts, oft nicht mal eine Haltestelle: da fahren wir hin.
Tatsächlich fahren wir durch eine Reihe Dörfer, wo es teils aussieht wie früher in Polen. Bushaltestellen sehen wir (vereinzelt) – aber: kein Dorfladen, keine Tankstelle, keine Metzgerei, nicht mal eine Bäckerei. Kein Wirtshaus, kein Ausflugslokal, kein Kiosk.
Nur Häuser und Menschen.

 


Ancienne Gravière de Pagney (Vogelschutzgebiet)
Einfach mal hinsetzen, Klappe halten, schauen was vorbeikommt. Also:
Reiher, Raben, Blässhühner, ein Biber (!), 2 andere Besucher, der TGV in voller Fahrt.

 


Dole
Die zweitgrößte Stadt der Franche-Comté und Geburtsstadt von Louis Pasteur (ohne den es kein Pils-Bier und keine H-Milch gäbe, und so vieles mehr nicht …). Sein Lebenswerk in Sachen Hygiene, Krankheitsbekämpfung, Haltbarkeit von Lebensmitteln und vielem, vielem mehr ist unbestritten. In Frankreich ist in so ziemlich jedem Ort eine Straße nach ihm benannt.

In der Kirche Notre-Dame, die auf dem Hügel über der Stadt thront, wird an das Hostienwunder von 1608 erinnert. Das ging ungefähr so: die Kerze auf dem Holztisch war abgebrannt, und setzte den Tisch in Flammen. Die auf ihm ausgestellte Hostie blieb unversehrt. Am Montag darauf wurde das Wunder entdeckt, und die Hostie blieb weitere Tage vollkommen unversehrt. Wenn das kein Grund ist, dieses Wunder ausgiebig zu feiern?

Wir schlendern durch die Gassen bergab, zum Kanal und zur Doubs. Beobachten Vögel, Fische, langsam fließendes Wasser, Seerosen, … Fünf Mädchen sitzen auf der Wiese, hängen ihr langes Haar in die frühe Sommerbrise. So tiefenentspannt waren wir seit den Sources d’Allier (gestern) nicht mehr …


Ganz allgemein
Mitbürgerinnen und Mitbürger aus dem Maghreb, die in traditionellem Gewand ausgehen, z.B. Männer mit Gehrock und kleiner Mütze. Vereinzelt auch in indischer / südasiatischer Version. Ein Traum für jeden bayr. Traditionalisten („andere Trachtler!“).

Viele kleine Restos in den Städten (arabisch, afrikanisch, etc.).

Viele Radiosender, die sich noch trauen Musik zu spielen (also nicht stromlinienförmig dem Markt angepasst und dem Gute-Laune-Diktat unterworfen sind).

Als der Regen (gar Gewitter) kommt, sind wir in einem der Riesen-Supermärkte, und fahren Tags drauf heim. Bei 11° C und Regen, aber nicht mehr so kahlen Bäumen, schreibe ich das hier.
Es war schön, wieder in Frankreich zu sein. Die Leute waren freundlich und lustig, auch wenn man die Sprache nicht mal bruchstückhaft kann (so wie ich).
Danke für diese schöne Zeit.


Praktische Hinweise
Keine Grenzkontrolle, keine Maskenpflicht, kein Impfnachweis erforderlich.

Autobahn kostet. Immer auf einen der grünen Pfeile über dem Dach der Zahlstation zuhalten. Dort entweder Geld einwerfen, Ticket ziehen, oder Ticket am Automat bezahlen.

2.v.o.r.: Kleb Deinen Kaugummi auf eins der runden Felder. Ob das mehr hilft, als unsere Verbote?

2.v.u.l.: Besancon, an der Doubs

2.v.u.r.: die Synagoge von Besancon

u.l.: in Dole, steht da so herum, in der Doubs ...

 

 

So hatten wir das gemacht:

FeWo "Le Patio" am Stadtrand, selber kochen, abends in der gemütlichen "Pub-Ecke" abhängen und franz. Radio hören (da ist bissl mehr los als bei uns ...)

 

Musik?

Ein Internet-Radio aus der Stadt, das wir zuhause gerne hören:

 

Radio Boom Tchak

 

 

Lesen?

Der Glöckner von Notre Dame, ganz klar. Victor Hugo stammt aus der Stadt.

 

Dieses Büchlein hatte ich hier überarbeitet. Wo kann ich eine Story aus Frankreich besser bearbeiten, als in Frankreich?

 

Der Stoff von 2014 war schon gut. Mit ein wenig Politur und so mancher Änderung glänzt er schöner denn je. Das Beste daran: das Büchlein gibt es GRATIS.

 

Was haben ein ehemaliger Schiffskoch, eine alleinerziehende Kassiererin, eine unterkühlt wirkende Rezeptionistin und eine klatschsüchtige Putzfrau gemeinsam?
Sie arbeiten da, wo andere Urlaub machen.

 

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Und das hatte ich mal eben ganz neu verfasst. Es ist ein kleines Juwel geworden. Auch es gibt es GRATIS.

 

Auf dem Campingplatzes kommt es zu zwei mysteriösen Todesfällen, während die Polizei ermittelt. Alle Spuren führen hinter die dicken Schlossmauern.

Das Campinplatz-Personal entstammt dem Kurzroman „Château-Camping“. Der Autor betrachtet es als „Remix“ davon.

 

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ANHANG
Wie die Burgunder nach Burgund kamen
(Geschichte Leistungskurs)

Wer das Nibelungenlied gelesen hat, weiß: die Hauptstadt war Worms.
(Ein spannendes und vielschichtiges Epos ohne Happy End, ganz nach meinem Geschmack – kann ich nur empfehlen.

Bei der Übersetzung von 1827 ließ dies 2 Schlüsse zu:
1) Der Autor war geografisch verwirrt, oder
2) Er hatte Wissen über die Zeit vor der Völkerwanderung
Die Entstehung des Werkes konnte ins östliche Bayern zurückverfolgt werden, in die Gegend zwischen Passau und Salzburg (ja: Salzburg war eine bayr. Stadt). Da kann man über das Rheinland schon verwirrt sein.
Die Forschung kam immer mehr in Richtung Mögl. 2.

Das geht so:
Die Burgunder hatten tatsächlich am Rhein, um Worms herum, gelebt.
Cäsar hatte Gallien erobert, ganz Gallien (also: eher seine Truppen).
Römer plus Gallier und Burgunder waren Nachbarn geworden.

Die Burgunder hatten ein „Thema“(*) mit den Alemannen – einem starken und mächtigen Stamm (die in etwa den heutigen alemannischen Sprachraum bewohnen: Baden-Württemberg, Allgäu, Vorarlberg, Liechtenstein, deutschsprachige Schweiz, Elsass). Mit denen hatte sich niemand gerne angelegt.
(*): Das Wort „Problem“ solle ich vermeiden, hatte ich im Rhetorikers gelernt – das klinge gleich so negativ. Deshalb verwende ich das Wort „Thema“.

So schlau und gerissen wie die Römer war niemand sonst. Sie konnten die Burgunder, die „Eh ein Thema mit den Alemannen hatten“, einwickeln, um ihnen die Grenze in Gallien sauber zu halten.

Finde den Fehler

Richtig: die Burgunder hatten ihre eigenen Interessen verfolgt, und überhaupt nicht daran gedacht, sich von den Römern einspannen zu lassen. Ihr Kampf gegen die Alemannen war ihr Kampf. Zeitweise hatten sie sich mit ihnen verbündet, wenn ihnen danach war …
Das hätte ewig so weitergehen können, wenn da nicht – ja, wenn da nicht: eine fremde und starke Macht aufgetaucht wäre: die Hunnen. Da hatte es die Burgunder zerlegt, und sie hatten sich bei den Römern als „Federati“ beworben.

Was „Federati“ genau sind, und wie mit ihnen verfahren wird, war immer vom Einzelfall abhängig.
Dem Gesuch wurde zugestimmt, sie durften sich im Römischen Reich ansiedeln. Nicht irgendwo. Nicht in Italien. Und schon gar nicht an der Grenze, wo sie nur Blödsinn anstellen. Tief in Gallien wurden noch Siedler gebraucht. Wo genau das war?
In der Schweiz und der Provence reklamieren sie die Burgunder für sich, feiern bis heute Feste in alten Gewändern.
Die Bourgogne (um Dijon, auf deutsch: Burgund) tritt ganz selbstverständlich deren Erbe an (Dort wird Burgunder-Wein angebaut). Die Franche-Comté ist gleich daneben, und zählt kulturell dazu.
Während die Bourgogne immer Teil Frankreichs war, war die Franche-Comté (Freigrafschaft Burgund) etwas Eigenes, bzw. wurde ein Teil des Heiligen Römischen Reichs.
Ob die Burgunder in Gallien ein einheitliches Gebiet besiedelt hatten, oder verstreut gelebt hatten, ist eine der noch offenen Fragen.

 


Quelle: steht alles auf Wikipedia

#Achtsamkeit #Frankreich #Burgund # Besancon #Dole