Mitten in Deutschland
Mittelfranken, Sachsen-Anhalt, inkl. Thüringen
Wolframs-Eschenbach, Halle a.d. Saale

Juli 2020

 

Dem Parzival auf der Spur, oder so …

Urlaub in Deutschland mache ich seit jeher gerne. Allerorten gibt es unglaublich viel zu sehen und zu entdecken. So auch in der Mitte. Haltet euch fest!

 

„Ein solcher Reiter möchte ich werden, wie mein Vater gewesen ist.“
Kaspar Hauser

 


Wolframs-Eschenbach
Ist ein nettes Städtchen in Mittelfranken, und unser erster Stützpunkt für Ausflüge.
Stadttor mit Turm, Stadtmauer, Türmchen, Fachwerkhäuser in mittelalterlichen Gassen – alles da. Die Altstadt erstreckt sich ungefähr auf 400 x 400m. Bis 1917 hieß der Ort Obereschenbach. Ab 1917 gab es keine Zweifel mehr, dass das Grab des bekannten Epikers und Minnesängers hier irgendwo ist, höchstwahrscheinlich im Liebfrauenmünster (das 2x renoviert wurde, so dass das genaue Grab bis heute unbekannt ist).

Das Parzival-Museum hat nur sonntags geöffnet, drei Stunden am Nachmittag (und das nur im Winter, wenn ich’s richtig verstehe).

Parzival: möchte ein Reiter / Ritter werden, wie sein Vater einer gewesen ist. Das weiß er, als Ritter zufällig an der Waldhütte vorbeireiten. Dort lebt seine Mutter mit ihm, damit er eben auf genau solche Gedanken gar nicht erst kommt, und das gleiche Schicksal wie sein Vater erleidet. Hilft natürlich nix – außerdem hat er adliges Blut.
Er wird Gast an König Artus’ Tafelrunde, bricht auf, um den Heiligen Gral zu finden. Mehrmals bekommt er wertvolle Hinweise, die er mangels Bildung und Reife nicht verstehen kann. Klingt nach bekanntem Filmstoff, ist aber Literatur aus dem Hochmittelalter (12. Jh.)

Gleich neben Kirche und Denkmal ist das Café Parzival, seit diesem Sommer ein orig. Ital. Eis-Café. Das Eis ist hausgemacht und superlecker. (Mein Tip: Pistazien-Eis. Ist italienisch. Gibt es in DE kaum, da Pistazien im Süden wachsen … Dazu ein echter Espresso - perfekt.)
Wir beziehen unsere schicke FeWo (business-apartments-franken.de), und kochen brav selber (regionale Spezialitäten, wie Fränkische Bratwurst, roh, zum selber durchbraten, etc.)


Altmühlsee (Vogelinsel)
Das Fränkische Seeland lockt viele Badegäste. Wir spazieren nur über die sog. Vogelinsel. Dort tummeln sich jede Menge Gänse und Enten, ein Schwarm Stare flattert umher, Kiebitze und Brachvögel staken durchs seichte Wasser. Einer der Bäume sieht aus, wie von einem Biber gefällt. Die Stare flattern (hörbar!) genau über uns.

Später erfahre ich (beim Müll rausbringen), dass die Seen die Wolken anziehen. Seit es sie gibt, etwa 25 Jahre, fällt hier weniger Niederschlag, während die Wolken alle zu den Seen ziehen und sich dort abregnen. Dafür werden die Stürme stärker (und hatten das Nachbarhaus mal komplett abgedeckt). Und die Windräder, die hier herumstehen, stehen in einem ehemaligen Naturschutzgebiet. Die Subventionen für Windkraft waren wohl attraktiver … Und dort waren die Kiebitze früher, zahlreicher noch als heute …

Parken: mind. 0,80 EUR, für 1h (= Minimum).

o.r.: Kanadagänse

l.u.: ein Schwarm Stare

r.u.: die Kleinen in der Mitte sind 2 Kiebitze


Pappenheim
Wir fahren zu „den Pappenheimern“, weil der Begriff geflügelt ist.
Eine große, alte Burg thront über dem Städtchen. Viele Radfahrer, auf ihren Touren durchs Altmühltal, kommen hier durch und machen Kaffeepause. Allerdings finden wir nur 1 modernes und v.a. geöffnetes Café (das echt gut ist) – der Rest der Stadt wirkt, als kenne er bessere Zeiten …

 

St. Gallus (Dechantshof 8, Pappenheim)
Liegt ein wenig abseits, wobei es nur über die Altmühl, und dann 500m weiter geht, ist aber sehenswert. Erste Erwähnung 802, die älteste romanische Kirche Mittelfrankens, heißt es stolz am Eingang (wobei Solnhofen älter sein müsste).

Das Sprichwort:
In Schillers Drama „Wallensteins Tod“ steht der bekannte Feldherr im Verdacht, heimlich Verhandlungen mit dem Gegner zu führen – was Verrat bedeutet. Anstatt den Gerüchten zu vertrauen, und sich von ihm abzuwenden, bevorzugt es das Pappenheimer Regiment, ihn direkt darüber zu befragen. Daraufhin antwortete die Figur Wallenstein: „Daran erkenne ich meine Pappenheimer“, was durchaus anerkennend gemeint ist. Die heutige, eher abwertende Bedeutung, ist eher der Flüsterpost zuzuschreiben.

 


Merkendorf
(ein Name, den ich mir nie merken kann)
Hier kaufen wir ein. Die Straße führt um die Altstadt herum – mit Stadtmauer, Türmchen und Torhäusern.
Nach dem Einkauf parken wir auf dem Parkplatz direkt neben der Stadt. Auf der Wiese, direkt dahinter, staken 4 Störche übers Feld. Lassen sich von uns nicht stören. Auf den Dächern des Städtchens sind ihre Nester (meist auf blechernen Vorrichtungen errichtet). Immer wieder kreist einer der anderen Störche über der Stadt.

Nachträglich erfahre ich: hier gab es überhaupt keine Störche (mehr), seit ca. 10 Jahren gelingt die Wiederansiedelung. Und die letzten Jahre über waren sie für den Winter gar nicht mehr fortgezogen …

 

 

Ansbach
Kaspar-Hauser-Stadt, und vieles mehr


Synagoge
Ich wollte in die Synagoge (Rosenbadstr. 3, jeden 2. und 4. Sonntag im Monat, 15-17 Uhr, Eintritt 1 EUR, derzeit max. 4 Personen gleichzeitig im Gebäude (wg. Covid)). Vielleicht verpasse ich darüber das Parzival-Museum in W.-E., aber das war es absolut wert.
Viel spannender als das Gebäude aus den 1740ern, sind die Erläuterungen, die wir vor dem Gebäude bekommen. So mancher Passant hält allein dafür.

Was wir alle schon wissen:
Juden waren in Europa rechtlos, durften nicht arbeiten. Deshalb verlegten sie sich auf Handel und Geldverleih (gegen Zinsen, die Christen verboten waren). Ihre teils europaweite Vernetzung half ihnen dabei enorm.
Viele Herrscher nahmen bei ihnen Kredit, und bauten damit ein neues Schloss, etc. N-u-r damit waren die allermeisten Bauten überhaupt möglich (!).
Ihre Nachfahren vertrieben sie meist wieder, da sie des Schulden-Zahlens überdrüssig waren, und die Schulden, mitsamt den Juden, loswerden wollten.
Herrscher in anderen Teilen Deutschlands nahmen sie gerne auf, da sie Geld brachten.

In Ansbach steht eine riesige Residenz der Markgrafen. Noch Fragen?
Außerdem sollte die Stadt, sowie eine der Stadtkirchen, St. Gumpertus, barock umgestaltet werden. Außen ist sie spätromanisch-gotisch-Renaissance, innen barock umgestaltet, protestantisch, d.h. hell und ohne Bemalungen. Das allein ist schon ein irrer Mix, wie ich finde. Sie beherbergt die größte Barockorgel im fränkischen Raum.
Das alles hat viel Geld gekostet, das hauptsächlich die Juden gaben.

Noch mehr fancy stuff gefällig? Einer der Markgrafen liebte die Fasanenjagd. Also ließ er im ganzen Umland Brücken über Bäche und Flüsse bauen, um trockenen Fußes mit der ganzen Jagdgesellschaft herumzukommen.

Als kleinen Dank ließ der Markgraf vom ital. Baumeister eine Synagoge bauen. Sie sollte von außen nicht nach einer aussehen, und weit weg von seiner Residenz sein (sie ist fast direkt an der Stadtmauer). 

Hier gab es viele Land-Juden (sonst ungewöhnlich, da Juden meist in einer Stadt wohnen). Dadurch auch viele „Stadel-Synagogen“, sehr ungewöhnlich. Leider brannten diese 1938 gut, keine hatte überlebt. Ihr Beruf: oft Viehhändler (im Ansehen weit unten).

In der Pogromnacht geschah Folgendes:
- Die Feuerwehr wurde bestellt. Das Inventar im Inneren der Synagoge wurde zusammengeschichtet, angezündet, kurz darauf von der bereitstehenden (und auf Befehle wartenden) Feuerwehr gelöscht. Die Synagoge sollte „nur“ ein wenig geschändet werden, damit sie nicht mehr als solche benutzt werden kann. Das Gebäude sollte kein Feuer fangen, denn:
- Nachbargebäude schließen unmittelbar an, das Feuer würde auf die gesamte Altstadt übergreifen
- Sprengen wäre, laut Handbuch, möglich gewesen. Aber: unten drunter verläuft ein (Abwasser?) Kanal. Folge: die ganze Altstadt würde überschwemmt.
- UND: der Nachbar, ein NS-Funktionär und Händler, wollte das Gebäude haben, um dort sein Mehl lagern zu können.
- FOLGE: das Mehl wurde von den Ansbacher verschmäht, weil es in einem jüdischen Gebäude war (für sie galt es als „jüdisch verseucht“ o.ä.). Er wurde mit seinem neuen Lagerraum nicht glücklich.

Zu den Hintergründen:
- Ansbach war fast komplett protestantisch. Der späte Luther hatte sich judenfeindlich geäußert. Deswegen konnte die NSDAP bereits in den 1920er-Jahren in Ansbach viele Stimmen gewinnen.
- Das Gleiche in Merkendorf.
- Ausnahme: Wolframs-Eschenbach (3 km neben Merkendorf). Das war immer katholisch gewesen, die NSDAP konnte dort nie Fuß fassen.
- Juden hatten keine Bürgerrechte
- Erst 1813 bekamen sie in Bayern Bürgerrechte, über das sog. „Judenedikt“

Nach dem Krieg wurde die Synagoge von ein paar US-Militärs finanziell unterstützt (ein paar der Generäle waren Juden). Die bunte Ausstattung („American Style“) resultiert daraus. Sie ist aber kein Gebetsraum mehr, da die Tora-Rollen fehlen. (1 kostet ca. 50.000 EUR, und davon brauchen wir 5 Stück).

 

Hoffen wir auf ruhige Zeiten, ohne Verfolgungen etc.!


Ludwigskirche aka St. Ludwig
Ansbach war komplett protestantisch. Für die barocke Neugestaltung der Stadt wurde ein ital. Baumeister engagiert (ein Katholik).
Markgraf  Karl Alexander holte sich außerdem eine französische Mätresse, die mit ihrem Personal angereist kam - ebenfalls Katholiken. Für sie alle stand nur ein kleiner Gebetsraum zur Verfügung, die Karlshalle (heute nur noch als Konzertsaal genutzt & nicht öffentlich zu besichtigen). Um 1835 wurde nebenan eine kleine Kirche gebaut, im Stil der Zeit: klassizistisch. Die Ur-Pläne stammten von Leo von Klenze.

Die kath. Gemeinde reklamiert Robert Limpert für sich, einen 19-jährigen Katholiken, der im April 1945 ein Telefonkabel vom Gefechtsstand durchschnitt, beobachtet und verraten wurde (und zuvor schon durch NS-kritische Unterrichtsbeiträge und Flugblattaktionen aufgefallen war), und dafür hingerichtet wurde. Mit dieser Tat rettete er die Stadt wohl vor Beschuss und Zerstörung. Lange hatten sich viele Ansbacher mit seiner Würdigung schwer getan.

 

Ach ja: Kaspar Hauser. Den gab’s auch noch.
Er kam 1831, im Alter von etwa 19 Jahren, auf Vermittlung des engl. Dauerreisenden Lord Stanhope, von Nürnberg nach Ansbach, in eine Pflegefamilie.
Laut eigener Aussage hatte Kaspar sein Leben in einem dunklen Kerker, bei Wasser und Brot, ohne Unterricht verbracht. Das Interesse an ihm war groß. Obwohl es schon bald starke Zweifel an seiner Geschichte gab, wollten die Ansbacher ihm glauben. Seine körperliche und geistige Verfassung war zwar unnormal, konnte aber mit seiner Geschichte nicht übereinstimmen. Schon bald gab es kritische und tiefgehende Fragen an ihn. Skeptiker meinen, er hätte seine Lebensgeschichte immer neu ausgelegt, um Vorwürfe bzw. Rückfragen stimmig erklären zu können. Vermutlich wollte er interessant bleiben, um im Genuss einer Versorgung bleiben zu können.
Dass er nach Nürnberg ging, um wie sein Vater ein Reiter bei der Armee zu werden, und dort als Straßenjunge lebte, gilt als wahrscheinlichste Version.

Die Ähnlichkeit zu Parzival ist, zumindest für mich, da – wenn auch komplett gegensätzlich.

o.l.: das Markgräfliche Palais

o.r. + 2. Reihe: die Gumpartskirche von innen, in ihrem barocken Umbau. Mit der größten Orgel Mittelfrankens

u.l. die Gumpartskirche von außen, inkl. Stadtplatz


Weißenburg
Mein Kumpel C. lebt mittlerweile hier, wir statten ihm einen Besuch ab. Die Stadt ist schön, wiederum mit Mauer und Türmen. Alle Geschäfte sind vorhanden.


Schlosspark Dennenlohe

(8 EUR p.P.)
Wer Alice im Wunderland mag, die Stories nicht für konfus und … irgendwie … drogendurchtränkt … hält, ist hier richtig. Keine Sorge: das war nur der erste Eindruck. Der Park ist schön und möchte entdeckt werden.

Zu Beginn ist ein Labyrinth angelegt. Wobei „Labyrinth“ Thema des ganzen Parks zu sein scheint. Über wilde Wiesen, und ein kleines Moor, führen schmale Wege, die sich immer wieder teilen und verzweigen.
Ganz hinten steht ein bhutanesischer Tempel auf dem Hügel. Im Gebälk brüten Rotschwänze.

Die meisten Wege führen am großen See entlang, wo es wirklich sehr lauschig und idyllisch ist. Immer gibt es Neues zu entdecken. Viele Brücken, Lichtungen, asiatische Laternen, usw. Auch Tiere gibt es eine Menge.
Wir sehen: Frösche, eine Bachstelze, die Große Pechlibelle (blau-schwarz), Frühe Adonislibelle (rot). Und im See taucht irgendwas, knapp unter der Oberfläche.

l.u.: Frühe Adonislibelle

r.u.: Große Pechlibelle

 

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Fahrt nach Halle
Zitat: „Fahrten in den Osten haben immer etwas Psychedelisches“
Ich.

In Oberfranken, ab Coburg, fahren wir die Berge hoch. Neben der Autobahn strecken sich Felder aus. Keine Dörfer, kein Parkplatz, keine Ausfahrt für 20km. Irgendwann kommt ein Hinweisschild auf die ehem. innerdeutsche Grenze, auf einem Höhenzug, mitten im Nichts. Ein paar Ausfahrten, Berge mit Wald, dann geht es bei Oberhof durch 3 lange Tunnels, alles mit Tempo 80. Der längste Tunnel, Rennsteig, ist 8 km lang (der längste Straßentunnel Deutschlands). Dann endlich kommt ein Rasthof („Thüringer Wald“). Die Abfälle auf dem Parkplatz bitte nur in verschlossene Müllbehälter werfen, seit 2014 geht die Afrikanische Schweinepest um – verrät das Schild auf jedem Abfalleimer. (Und im Thüringer Wald laufen viele Wildschweine herum.)
Es geht bergab. Kaum auf der Ebene, ist da auch schon eine Stadt: Erfurt.
Wir biegen ab, auf eine Landstraße, geradeaus, meist zweispurig. Daneben fast nur Felder. Wir dürfen nur 80 km/h fahren, der Weg führt über ein „Erdfallgebiet“. Ah ja

 

Bad Langensalza
Hübsche, alte Kleinstadt in Thüringen. Nicht viel los. Schöner Japanischer Garten (5 EUR p.P.).
Stilecht angelegt (1991), mit Steingarten, der Wasserlandschaften nachbildet, Brücke, Gebäude im japan. Stil, kleinem Teeraum. Sogar ein Teestrauch wächst dort (so einen brauche ich zuhause auch).

 

Autobahn: es geht weiter, meist geradeaus, durch leeres Land. Zum Kreuz Südharz. Drei riesige Halden aus Kupferschiefer überragen das Land. Es geht weiter durch leere Gegend. Das Land wirkt ausgebeutet, ausgeblutet, geschunden.

Von Weit sehen wir Rauch aufsteigen: er zeigt den Schornstein des Kohlekraftwerks Schkopau (bei Halle).

Plattenbauten ragen aus dem flachen und leeren Land auf, neben der Straße verläuft eine Pipeline, zweispurig geht es in die Stadt rein. Wir fahren durch Halle-Neustadt, das früher eine eigene Stadt war. Dann geht es „rüber nach Halle“. Wir fahren durch ein Gewerbegebiet, deren Schriftzüge danach aussehen, als wäre hier in den 90ern noch Betrieb gewesen. Mittlerweile sind es Ruinen. Wir fahren auf Betonplatten, mit Pech verklebt. Die Straßenlaternen aus DDR-Zeiten sind alle noch da.


Wolkentor: unsere Herberge wirkt wie selber gebaut. Sehr freundlich, geräumig, alles ist da. Im Garten gibt es ein wenig Teich, Wasserspiel und Steinlaternen, das Haus bietet nebenher Meditationen und Seminare an.

Im Radio (Radio Corax 95,9) laufen selber gebastelte Programme, Gleich hinter dem Haus verläuft ein Gleis. Ab und an fährt eine Rangierlok oder ein ganzer Güterzug vorbei (nicht in vollem Tempo, eher in Rangier-Tempo). Endlich ist mir mal was alternativ genug.

(Posh bzw. perfekt kann mittlerweile jeder, Preis-Leistungs-Verhältnis sowieso. Aber echt kreativ, mit psychedelischen Anklängen – das muss man nicht nur können, sondern auch wollen)
Auf Radio Corax stellt mir Andreas (der Stimme nach älter als ich) „Atom Heart Mother“ von Pink Floyd vor, das ganze Album – während um 20:30 ein Güterzug hinter dem Haus vorbeifährt. Perfekt. Das Album ist einer Mutter mit atombetriebenem Herzschrittmacher gewidmet (aus der Presse?). Und das Cover darf nichts mit der Musik zu tun haben, erfahre ich. So war das damals.

Hören: Pink Floyd, „Atom Heart Mother“. Gut zum Autofahren.


Halle Trotha
„Und ist kein Bier mehr da - scheißegal: wir sind in Trotha!“
Im Song von Schleimkeim geht es um Gotha, aber für eine schlechte Hook ist uns das gut genug. Trotha ist „unser“ Stadtteil.


Quedlinburg
Ein Tagesausflug. Viel hat sich verändert. Wir waren schon mal hier (LINK).
Damals war es mit Abstand die größte Sorge, den hohen Bestand an Fachwerk-Bausubstanz zu erhalten. Touristische Infrastruktur war kaum vorhanden, der Eintritt in die Stiftskirche war frei.

Heute ist die Bausubstanz weitgehend gerettet, alle üblichen Läden sind da, und die Altstadt wurde dem Tourismus geopfert. Die Stiftskirche kostet 4,50 EUR p.P. Eintritt. Dafür ist sie (derzeit) innen eingerüstet, und nicht in ihrer üblichen Form zu sehen. Krypta und Domschatz sind zu besichtigen (Fotografieren verboten).
Überall ist es voll mit Touristen – für unsere Verhältnisse schon unangenehm. (Insgeheim freue ich mich sehr für die Quedlinburger, dass sie diese Mega-Aufgabe gemeistert haben).


Stiftskirche St. Servatii
(4,50 EUR p.P.)
Heinrich I., Vater von Otto I, wird 936 hier bestattet. Die Nonnen des Stifts halten sein Andenken aufrecht. Das Gedenken an alle fränkischen Herrscher seit Pippin wird aufrechterhalten, und um die Ottonen erweitert. Damit beweisen die Ottonen, die die Kaiserkrone der Franken weiterführen, staatsmännische Souveränität.

Domschatz: 2 kleine Kammern, links und rechts des Altars. Sie zeigen Kostbarkeiten des frühen und hohen Mittelalters, die sich um die Stadt ranken. Reliquien und in Gold und Elfenbein gefasste Evangelien, goldene Kästchen, etc. Einer der Höhepunkte ist Heinrichs Kamm: aus Elfenbein gefertigt, mit Edelsteinen verziert, um das 3. Jh. n. Chr. Vermutlich in Ägypten gefertigt. Für die damalige Zeit war er irrsinnig kostbar (und nicht zum kämmen gedacht).
Otto I baute in Magdeburg „ein neues Jerusalem“, das Zentrum des Reiches werden sollte. Doch das Osterfest feierten die Ottonen weiterhin hier in Quedlinburg.

Mehr zur Entstehung des Heiligen Römischen Reichs habe ich im Reisebericht Norditalien zusammengefasst (LINK)
Verglichen mit Anfang 2003 ist es eine andere Stadt, und eine andere Welt. Schade nur, dass ich so wenige Fotos von damals habe.

 


Halle (Saale)
Wir fahren mit der Tram in die Stadt. Alle Naselang gibt es was zu sehen …
Zwar sind wir mit dem Auto an Nebra vorbeigefahren, die Himmelsscheibe ist allerdings in Halle ausgestellt. Dort gehen wir als Erstes hin:

r.u.: Marktplatz mit Händel-Statue (einem Sohn der Stadt)


Landesmuseum für Vorgeschichte
(5 EUR p.P.)
Schön gemachte Ausstellungen zu Steinzeit, Bronze- und Eisenzeit in der Region. Und eine echte Sensation wartet auf mich. Alles schön erklärt.

Meine Sensation gleich mal vorab: ein Bumerang.
Ja, wirklich. Ich konnte es kaum glauben. Dass es die schon lange gibt, überrascht mich nicht. Dass es sie mitten in Europa gab, das ist (zumindest für mich) die Überraschung.


Aus der Steinzeit
Eine überraschende Anzahl, in gutem Erhaltungszustand, an Pfeilspitzen, Werkzeug, Knochen, Grabbeigaben. Stelen bzw. Menhire standen in der Landschaft, als Kultbild o.ä.

Schöne Erklärungen zur Übergangszeit, von der Jagdgesellschaft, hin zu Ackerbau und Viehzucht.

Bronzezeit
Sie stellte eine Revolution dar. Aus Kupfer und Zinn wurde Bronze gegossen, damit waren Schwerter, Waffen und Schmuck in neuartiger Qualität möglich.
Das Aber: es gab Zentren der Metallgewinnung. Somit konzentrierten sich Macht, und Geldströme, in gewisse Richtungen.

Eisenzeit
Eisen ist nicht so toll wie Bronze, weil es rostet. Das heißt: Stücke für die Ewigkeit sind nicht drin (inklusive Schmuck).
ABER 1: für Landwirtschaft & normalen Gebrauch (auch Waffen) ist es gut genug.
ABER 2: die alten Bronze-Hochburgen werden obsolet, damit verschieben sich auch finanzielle Strukturen bzw. Machtverhältnisse.
-> Eisen brachte „Veränderung“


Himmelsscheibe von Nebra
(Fotografieren verboten. Sie ist die Attraktion hier)

Im März und im Oktober sind die Plejaden am Sternenhimmel sichtbar, und verschwinden dann. Sie sind auf der Scheibe dargestellt. Das kann als Frühling und Herbst gesehen werden, was für Bauern wichtige Termine im Jahreskreis sind.
Zwischen Sonnen- und Mondjahr gibt es eine Differenz von 11 Tagen (das Mondjahr ist kürzer). Das Schiff wird als Symbol für die Reise der Sonne gesehen.

(Ob die Scheibe zur Berechnung diente, oder nur wichtige Himmels-Konstllationen abbildet, konnte ich leider noch nicht herausfinden).

Später kamen Löcher am Umfang hinzu. Möglicherweise, um die Scheibe auf einer Standarte zu befestigen.
1999 wurde sie von Sondengängern gefunden und verhökert, 2002 in Basel sichergestellt und dem Land Sachsen-Anhalt übergeben.

Darstellung auf der Eintrittskarte


Was noch? „Germanen“ an Donau und Saale:
Hier v.a. die Hermunduren, ggf. auch die Quaden (die sich öfters verbündeten).

Dass es so etwas wie Germanen nicht gab, wissen wir bereits.
Die Römer brauchten einen Begriff, mit dem sie die Wilden des Barbaricums bezeichnen konnten. Dort lebten viele Kelten, vielleicht auch Slawen. Und für die Römer war „Das Barbaricum“ nicht zu erobern, schließlich hatten sie es aufgegeben.
Sie unternahmen Ausfälle, schmiedeten Intrigen, verkauften Importware aus Italien, UM: die „Germanen“ zu spalten und ihren Widerstand zu brechen …

Der Rest der Geschichte ist ja bekannt. Ein Mal unternahmen dann die Barbaren einen Ausfall, und marschierten durch bis Rom.

Ganz so einfach war es natürlich nicht. Wer sich dafür interessiert: ich habe hier eine Zusammenfassung über die Zeit gemacht (ganz unten, im Anhang): LINK (Norditalien)


Franckesche Stiftungen

(6 EUR p.P.) (Auch hier waren wir schon mal, ca. 2007)

Herr Francke gründete 1698 ein Waisenhaus, bildete die armen Knaben schulisch und religiös, viele von ihnen wurden Missionar. So manchen verschlug es ziemlich weit, sie schickten Kuriositäten nach Hause. Diese sind bis heute zu sehen. So ein ausgestopftes Krokodil, in Spiritus eingelegte Octopusse, etc. Damals voll exotisch, und im Dachgeschoss ergibt sich daraus so etwas wie eine Wunderkammer, offiziell heißt sie: Kunst- und Naturalienkammer.

Die ganze Anlage ist weitläufig, und verschiedenen sozialen und kulturellen Zwecken gewidmet. Das Lange Haus (110 m) ist das längste Fachwerkhaus überhaupt.

Eine Sonderausstellung interpretiert das Wirken von Bartholomäus Ziegenbalg, einem Missionar von hier, der mit der Dänisch-Hallischen Mission nach Tranquebar in Südindien kam, dort missionierte, und die Bibel in Tamil übersetzte.

2 zeitgemäße Künstler (Christine Bergmann, Stefan Schwarzer) durften per Stipendium nach Südindien, um sich auf seine Spuren zu begeben. Die Sonderausstellung zeigt ihre Werke.

In einem Nebengebäude, gegenüber des Langen Hauses, befindet sich die:
Kulissenbibliothek
„Kulisse“ ist ein umgangssprachlicher Begriff, z.B. aus dem Barock-Theater. Heißt hier: Regale / Bücherschränke stehen auf mehreren Ebenen bzw. Gängen.
Damals wie heute gilt: ein Zaun mit Tür ist davor, kein Zutritt. Der Bibliothekar gibt die Bücher heraus, sie werden nur im Gebäude gelesen. Die Sammlung umfasst 36.000 Bücher in der Bibliothek, weitere 22.000 liegen im Archiv.
Bis 1990 wurde sie vom Bibliothekar der Uni verwaltet. Der Gebäudezustand war desolat, Klimaanlage gibt es bis heute keine.
Eine kleine Ausstellung zeigt „Naturgewalten in biblischen Darstellungen“.

l.o.: das Lange Haus (längstes Fachwerkhaus)

r.o.: die Kulissenbibliothek

M.: in der Kunst- und Naturalienkammer

r.u.: Blick in einen der Schränke (exotische Tiere, in Spiritus eingelegt)


Mit im Gebäude beheimatet: der Stadtsingechor.
(für alle, die meinen, „Singechor“ wäre kein deutscher Ausdruck :-) )

Wir schlendern durch die Stadt. Die Halloren-Schokoladenfabrik ist derzeit nicht zu besichtigen, das Halloren-Café am Marktplatz kennen wir von unserem letzten Besuch.
Der „Fabrikverkauf“ für Halloren-Schokolade (seit 1804 wird hier Schokolade hergestellt, in einer der ersten Schoko-Fabriken Deutschlands) ist übrigens in der Leipziger Straße.

Auch das sehen wir noch:

- „Pommern Freikorps“ steht auf dem T-Shirt eines Glatzentyps. (Ich möchte lieber nicht wissen, das es damit auf sich hat)
- Ein Opa (mit gefärbten Haaren), hört laut AC DC und bewegt sich rhythmisch dazu. Die Schale für Geldgeschenke liegt gleich daneben
- Viele Billigläden, die es bei uns nicht oder nicht mehr gibt (Mäc Geiz, Woolworth, …)



Weißensee (Thüringen)
Chinesischer Garten (bzw.: Garten des ewigen Glücks) (5 EUR p.P.).
Ab 2010 gebaut, als Bewerbung für die Landesgartenschau.
Schöner Garten, mit See, Brückchen, Rundweg, Nachbildungen der Tonkrieger aus Yian, und einem Pavillon im See des Ortes. Für die Arbeiten kamen extra Arbeiter aus China, um alles stilecht einzurichten. Sogar Heiraten ist hier möglich.

Was noch? Die Ronneburg beherbergte eine Zeitlang die Thüringer Landgrafen.
Bei Bauarbeiten 1998 wurde eine Verordnung von 1434 gefunden, in der der Landgraf u.a. die Zutaten für die Bierherstellung vorschreibt: Wasser, Hopfen, Malz.
(Die Ähnlichkeit mit dem Bayer. Reinheitsgebot liegt bei 100%, nur dass das Ronneburger / Weissenseer 82 Jahre älter ist)


Stopover auf dem Rückweg:
Lutherstadt Eisleben
Luthers Geburts- und Sterbeort. Die Andreaskirche ist derzeit wegen Bauarbeiten gesperrt. Uns reichen heute ein Eiscafé, ein Foto des Lutherdenkmals von 1883, und ein Besuch im Kaufland.


Naumburg
Wir waren schon mal hier. (Feb. 2003, von Leipzig rüber) LINK

Ich kenne es als beschauliches Städtchen. Das ist es geblieben.
Allein schon der Weg vom Parkplatz in die Stadt hat etwas Entspannendes. Eine Allee, zwischen den Fahrspuren, mit Extra-Platz für Radfahrer und Fußgänger.

Der Dom ist Besuchermagnet, in seinem Umkreis sind Cafés aus dem Boden gesprossen, die rege besucht werden. Wir gehen erstmal rüber zum Markt, und dort in die Kanzley (Café/Bistro).

Spontan besuche ich die Wenzelskirche am Marktplatz (gratis, Spende willkommen). Ihre Orgel, eine der größeren, wird regelmäßig gespielt. Eine CD gibt es als Hörprobe im Vorraum. Das Intro überzeugt mich, ich bestelle nachträglich die CD.
(Noch bin ich kein Fan von Orgelmusik, aber zum Autofahren ist das sicher ganz entspannend und aggressionssenkend im Berufsverkehr. „Komm, heiliger Geist“. David Franke, 2015. Eingespielt hier in der Kirche).

l.o.: vom Parkplatz in die Stadt schlendern

r.o.: Marktplatz mit Wenzelskirche

2.v.o.l.: Marktplatz mit Café "Kanzley"

2.v.u.: in der Wenzelskirche


Dom St. Peter und Paul
( 7,50 EUR p.P., Fotoerlaubnis (privat) 2 EUR)
Einer der bedeutenden romanischen Dome Deutschlands, mit Doppelturmanlage, Doppelchor, und den berühmten Stifterfiguren.

Stifterfiguren
Die heißen so, weil sie als Stifter, also Geldgeber des Doms, gelten. Entstanden im 13. Jh., zur Zeit der Gotik, als viele von ihnen bereits lange tot waren (bis zu 200 Jahre). Vermutlich sollten sie -auch- für neue Stifter werben. Es ist ungewöhnlich, dass weltliche Figuren im Chorraum aufgestellt werden.
Das Erstaunliche daran ist, dass sie plastisch sind. Zu Zeiten, als das Astrale, Verklärte, Asketische verehrt wurde. Mit ihren körperlichen Formen, und individuellen Gesichtern und Merkmalen, stellen sie eine Wende dieser Entwicklung dar.

o.l.: in der Krypta

o.r.: Treppengeländer von 1983, mit vielen lustigen Tieren

M.: die berühmten Stifterfiguren, ein Teil davon. Ganz rechts ist Uta, die Sympathieträgerin des Doms ...

 

 

Dom, Krypta und Kreuzgang sind beschaulich, wir verweilen ein wenig länger.


An Freyburg (Unstrut) vorbei fahren wir zurück, sehen viele Weinhänge entlang der Unstrut. Es ist ein kleines Anbaugebiet, und das nördlichste Europas.
Im Kaufland nehme ich mir eine Flasche mit.


Was wir im Kaufland sonst noch finden: Regionale Spezialitäten:
- viele Wurst-Konserven (Rotwurst, Leberwurst, Jagdwurst, Sülzwurst, etc.)
- Viele Sauer-Konserven, z.B. regionales Sauerkraut, Blaukraut, Gürkchen
- Viel Kräuterlikör (aus Thüringen, Harz, Fläming (Brandenburg), …)

 

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ANHANG

l.o.: da isser ja endlich!: Parzival. In Kommunikation mit König Artus. (Design-Sitzbank in Wolframs-Eschenbach)

r.o.: Storch auf dem Dach (Wolframs-Eschenbach)

M.l. Rotschwanz

M.r.: bitte was?

l.u.: bitte wer?

r.u.: Passives Einkommen generieren. (Touristen werfen ja gerne Münzen irgendwo rein. Warum nicht auch hier? Quedlinburg)

 

 

 

#Achtsamkeit