Gefunden auf der Anfahrt nach Norddeutschland:

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„Eine Tonne namens Detlef“


Wer glaubt, an Autobahnparkplätzen könne nichts passieren, weil ständig Menschen zugegen sind, der irrt. Ständig fahren Autos daran vorbei, deren Fahrer im Notfall per Freisprechanlage über Handy den Notruf wählen können. So denkt jeder vom anderen, und keiner achtet auf das Geschehen. Somit sind sie keine Hilfe, eher Lärmkulisse. Wenn keine anderen Leute zugegen sind, der Fahrer des einzigen Lastwagens gerade schläft, ist so ein Parkplatz ziemlich einsam. Wenn obendrein noch eine Reihe Bäume als Sichtschutz zur Autobahn hin steht, sieht nicht mal jemand, was dort vor sich geht.
In Franken geht es, nach nicht mal zehn Metern Grünstreifen, direkt in den Wald. Nur ein einfacher Zaun trennt die beiden Orte, ist aber leicht durchtrennt. Niemand glaubt, dass dort etwas Unheimliches auf einen wartet – so nahe bei der Autobahn. Doch das, siehe oben, ist ein Trugschluss.


Der Parkplatz „Notnagelflur Ost“, einer dieser einfachen Fahrstreifen ohne Toilette, ist bis heute gesperrt. Und das nicht ohne Grund.
Am 07. August, ab 20:38, machte Lenny hier Pause. Das Bier zur Currywurst, das er sich am Rasthof Rhön Ost (A7) gönnte, drückte ihm nochmals auf die Blase. Anfang August kommt die Dämmerung spät. Er steuerte den nächstbesten Parkplatz an, auf dem es keine Toilette gibt, nur drei Sitzgruppen und eine Mülltonne. Von lautem Techno bei der Fahrt, und unter Alkoholeinfluss euphorisiert, sprühte er „Detlef“, den Namen seiner unerwiderten Liebe, auf die Mülltonne, spazierte anschließend die gemähte Wiesenfläche des Parkplatzes nach hinten, auf den Zaun zu. Die Bewegung tat ihm gut, der Maschendraht war an einer Stelle bereits ramponiert und niedergetreten – die Abenteuerlust überkam ihn. Mit Leichtigkeit überwand er die Absperrung, wanderte zwischen den Bäumen umher.


Der Gramschatzer Wald ist ein großes, zusammenhängendes Waldgebiet, und das seit etwa 1.000 Jahren. Die Würzburger Bischöfe liebten die Jagd, also achteten sie auf ihren Wald. Es gab zwar, seit Jahrhunderten, eine gut organisierte Forstwirtschaft, aber keine bleibende Dezimierung der Waldfläche.


Um sich zu erleichtern, suchte er sich zuerst einen schönen Baum, entdeckte daraufhin Pilze, die nahe an einem sprossen, und suchte sich ein besonders großes Exemplar aus. Er fand das, in diesem Moment, irgendwie passend und ihm angemessen. Doch als 0,18 Liter über dessen Kappe gepritschelt waren, hörte er eine wütende Stimme, die ihn zum lachen brachte. Er sah sich um und entdeckte einen Zwerg, der ihm nicht mal bis zu den Knien reichte. Wie es schien, hatte er ein riesiges Problem mit Lennys Ortswahl. Doch der ließ sich davon nicht beirren, aus Trotz und Überschwang ließ er die restlichen 0,21 Liter auf den Pilz herab, konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. Augen und Gesicht des Zwergs liefen rot an. Lenny genoss die Show. Als das kleine Wesen seine Axt hervorholte, und damit in der Luft herum fuchtelte, wich er aus, packte ein, und amüsierte sich über den Auftritt.


„Willst du mir drohen? Mit dem Witz von Küchenmesser? Was findest du nur so toll an dem Pilz? Wolltest du den zum Abendessen? Haha, haha, haha!“
Die Antwort des Zwerges klang für Lenny so ähnlich wie „Gnarf zaröck humm“.
Dessen Gesichtsfarbe wechselte auf grün. Lenny zog sein Handy hervor, um den Auftritt zu filmen. Darüber übersah er eine Wildschweinrotte, die sich mit rot leuchtenden Augen von hinten näherte. Langsam aber stetig näherte sie sich. Als er sie bemerkte und sich zu ihnen umdrehte, ging der Zwerg mit seiner Axt auf ihn los. Das schmerzte Lenny zwar, hinterließ aber keine große Wunde. Die Schweine begannen auf ihn zuzustürmen, er wollte flüchten, doch der Zwerg warf sich um seine Beine. Lenny schlug mit dem Kopf gegen den Baumstamm, die Rotte trampelte über ihn, der Pilz, den er kurz vorhin noch wässerte, drückte ihm ins Gesicht, und der Zwerg hackte auf ihn ein.
Keiner der Passanten hatte davon etwas mitbekommen.

 
Die Entsorgung seines Körpers, sowie seines Autos, war rechtlich gesehen ein Graus. Um Wiederholungen zu vermeiden, ist der Parkplatz seitdem gesperrt, und wird es auf absehbare Zeit auch bleiben.
Die Mülltonne wurde einen Parkplatz weiter verfrachtet. Dort war die Wand des Containers durchgeschmort, nachdem Rastende dort gegrillt, und ihren Einweggrill darin entsorgt hatten.