UPDATE Burg Trausnitz, Mai 2022, ganz unten

 

Landshut
(Aka: Intolerandshut, aka L.A.)
Juni 2021


Wir fahren von Moosburg auf de B11 rüber. Nach dem Schild „Landkreis Landshut“, mit dem auch Niederbayern beginnt, stehen sofort viele Werke, Geschäfte und ein Riesen-Möbel-Erlebnis-Haus neben der Straße. Es hat etwas von Österreich-Feeling (sofort ab der Grenze beginnt der Rummel), ist hier aber eher zufällig und subjektiv.

Landshut wurde 1204 gegründet (bzw. urkundlich belegt), später noch als München. Die Hügel bieten Platz für eine Burg, die Isar gabelt sich, was es leichter macht eine Brücke zu bauen. Genau so ist es damals auch abgelaufen. Bis heute thront Burg Trausnitz über der Stadt, und die Arme der Isar lockern die Innenstadt auf.
Auf der Burg gibt es angebliche eine „Kuriositätensammlung“, also Wunderkammer. Die schaue ich mir gerne noch an (wenn ich vollständig gegen Corona geimpft bin).

Die Altstadt gilt als eine der schönsten und größten zusammenhängenden Ensembles mittelalterlicher Städte. Bunt verputzte Häuser flankieren alte Straßen und Gassen, die Gastronomie floriert und überall sind Menschen (mitten unter der Woche und mitten in einer Pandemie – wir sind das echt nicht mehr gewohnt).

Neben St. Martin, die natürlich alles überragt, gibt es weitere gotische Kirchen. Wir besuchen sie (beide).

 


Martinskirche
Der größte Kirchturm wo gibt (130,10 m)

Der höchste Kirchturm Bayerns,
und der höchste Backsteinturm der Welt.

Nach einem Stadtbrand wurde um 1385 mit dem Neubau begonnen. Um 1500 wurde er zum ersten Mal vollendet.
Überraschung (zumindest für mich): die Mauern standen auf Holzpfählen, die zuvor in den Boden eingelassen wurden (wie in Venedig).
Als im 20. Jh. die Isar reguliert wurde, fiel der Grundwasserspiegel. Die Pfähle waren nicht mehr komplett von Feuchtigkeit umgeben und wurden daraufhin porös, bekamen Risse oder begannen zu faulen. Aufwändige Restaurierungen waren die Folge. Ab 1949 wurde, auch wegen Kriegsschäden, schrittweise saniert. Bis 2000 wurde der Dachstuhl ausgetauscht, 2009 war die Turmsanierung abgeschlossen. Dabei wurden auch die Fundamente neu aus Beton gemacht. Im Inneren ist immer noch eingerüstet und Baustelle.
Es ist die hoch- und spätgotische Gesamtwirkung, die die Martinskirche im südlichen Bayern zu etwas Besonderem macht.


An der (regulierten) Isar im Stadtgebiet sehen wir Schwarzkopfmöwen, einen Kormoran und ein paar Schwalben im Extrem-Tiefflug über dem Wasser. Und das alles bequem vom Stadtgebiet aus … (Schwarzkopfmöwen leben sonst am Ausgleichsweiher Moosburg und am Ismaninger Speichersee, oder an der Küste). Es ist schön entspannt am Wasser, hier verbummeln wir Zeit.

r.: el cormo pasa ...

 

Hl. Geist
Eine weitere spätgotische Backsteinkirche, 1407 - 1461 erbaut, also wirklich spät in der Gotik. Der Chorumgang ist offen, somit ist der Innenraum ein einziger und heller Raum – für Altbayern ist das ungewöhnlich.
Heute sind im Inneren meist Ausstellungen, so auch heute. Der Eintritt ist frei, wir müssen (wg. Corona) lediglich Kontaktdaten hinterlassen.


Die nächste Entdeckung machen wir, weil ich etwas verwechselt habe. 2 gotische Backsteinkirchen in einer Stadt vertauschen – wie geht denn das? Ich wollte zu Hl. Blut (hinter der Burg), um die beiden Rundtürme zu sehen, die es in Bayern sonst wohl nirgends gibt.
Stattdessen landen wir ein wenig abseits, und vor der Burg. Gut so.

St. Jodok
Eine der besterhaltenen gotischen Backsteinkirchen überhaupt, der Turm ist mit 80 m der zweithöchste der Stadt. Innen ist Gottesdienst, da störe ich lieber nicht.
Wir setzen uns auf eine Bank hinter dem Gebäude, mit Blick auf einen leeren Platz, mit Kies und Bäumen, und einer Straße, an der nicht viel los ist, eins der Häuser steht sogar leer. Auf den Bänken liegt meist ein Buch, in dem man schmökern kann. Nur leider hat es zuvor geregnet, was die Haptik der Bücher ein wenig mindert.
    Uns beiden hat es hier am besten gefallen. („Wir haben sie getrennt voneinander befragt …“)


Ein letzter Spaziergang bringt uns zum alten Schlachthof von 1905, an der Stetheimer Straße. Danach sind wir vollkommen reizüberflutet und wundgelaufen. Aber wir kommen gerne wieder. Und zu sehen gibt es noch genug.

 

 

 

ANHANG

u.l.: Das Haus im Fluss

u.r.: Personal Jesus

UPDATE  /  Revisited

 

Burg Trausnitz, Mai 2022

Eine Wunderkammer besuchen

 

Auf Burg Trausnitz gibt es eine Wunderkammer. Das war uns Grund genug für einen zweiten Besuch. Wir mögen Wunderkammern.

(Eintritt 5,50 EUR/p.P.)

 

r.o.: Ein Turmfalke, der seinem Namen alle Ehre macht


Adlige hatten ab dem 16. Jh. begonnen, exotische Tiere und Pflanzen sowie ausgefallene Kunstwerke zu sammeln.
Eine der Angestellten ist ausgesprochen gut informiert, und teilt ihr Wissen gerne mit Besuchern. Vieles haben wir nur von ihr erfahren. Und aus zugehöriger Broschüre, die wir freundlicherweise von ihr erhalten haben. Vielen Dank nochmals.

Kunst aus Bernstein, Elfenbein, Perlmutt und Korallen ist natürlich top. Hier finden sich Exemplare vom Ostseeraum (Bernstein), Arabien und sogar Indien/Ceylon. Korallen wachsen zwischen Sizilien und Tunesien, von dort wurden Künstler beliefert.

Kuriositäten:
- Ebenholz + Elfenbein. „Ihr Haar war schwarz wie Ebenholz …“, so heißt es im Märchen oft. Ich hatte noch nie welches gesehen. Es ist wirklich tiefschwarz. Zusammen mit Elfenbein, in klassischen Formen und „Schachbrett-Muster“ war es modern in den 1980ern, wie auch schon in den 1680ern.


- Bildertisch (um 1530, nach Hans Holbein): Nur wenige dieser Tische sind erhalten. Es gab sie häufiger, sie wurden benutzt, sind dabei verdreckt, wurden abgeschliffen, übertüncht, etc. Für den Betrachter sind die Motive (zumindest in „seinem“ Viertel des Tisches) „richtig herum“ angeordnet, d.h. niemand sieht etwas auf dem Kopf stehen (zumindest auf Anhieb). Es wimmelt an einheimischen und exotischen Pflanzen und Tieren, auch Fabelwesen sind darunter. (Mein ganz persönliches Kuriosum: angefertigt für den Herrn von Maxlrain – wo eins meiner Lieblingsbiere herkommt). Ohne den Hinweis der freundlichen Mitarbeiterin hätte ich es nicht als Tischplatte erkannt, obwohl sie waagrecht steht (weil es wie ein Bild aussieht).


- Uhren: Das Getriebe unten machte mich neugierig. Antwort der freundlichen Frau: das hier war eine Uhr. Die Krone über dem Haupt Marias dreht sich. Zur vollen Stunde hebt sie den Stab und zeigt auf die Zahl für die Uhrzeit.


Weitere Besonderheiten: der mandelförmige Strahlenkranz hinter ihr macht sie zu einer „Strahlenmadonna“ – einer nicht so häufigen Darstellungsart.
Und: das Jesuskind sitzt aufrecht auf ihrem Arm und trägt eine Weltkugel. Das ist ebenfalls nicht häufig.

Zu entdecken gibt es noch viel mehr auf diesen beiden Stockwerken, auch wenn es anfangs nicht so groß wirkt. Hier eine Auswahl:

l.o.: Elfenbein und Ebenholz (Wer noch nie Ebenholz gesehen hat - wie ich)

r.o.: ein Krokodil (an der Decke). Damals voll exotisch und unbekannt

2.v.o.: Teller mit Perlmutt besetzt

3.v.o.l.: die einen entsorgen ihre Kokosnussschale, andere machen Kunst daraus

3.v.o.r.: der Bildertisch. Details sind schwer zu erkennen, und von oben spiegelt das Krokodil von der Decke ...

 

4.v.o.l.: Eine Uhr. Die Krone rotiert. Zur vollen Stunde hebt die Madonna ihren Stab, und zeigt auf die Zahl an der Krone

4.v.o.r.: ein 3D-Diaroma. Mehrer Hinterglas-Gemälde, auf mehreren Ebenen

2.v.u.l.: ein Nautilus

2.v.u.r.: Koralle und Ara

u.l.: Korallen aus Trapani

 


Der weitere Rundgang geht durch die Burg, durch die Kapelle, zeigt Rüstungen, Waffen, Teppiche, Wandmalereien.

Wandteppiche
Ich beginne zu verstehen, was ein Wandteppich ist. Ein Motiv, z.B. rund um das Leben des Herrschers, wird aus farbigen Fäden angefertigt. Es ist wie ein Gemälde, aber waschbar. Somit bleibt es frisch , bzw. lässt sich „aufpolieren“ (im Gegensatz zu Gemälden). Und ein gewisser Isolationswert an der Wand ist auch gleich dabei …


Ausklang
In der Altstadt gibt es kleine Stärkungen. Mein Erweckungserlebnis: eine Bratwurstsemmel. Ja, wirklich.
Bei einem „Best-Ager“ mit „Sepplhut“ und in Klebeband verpackter Fingerspitze (die, wo das Messer immer ankommt) bekomme ich die erste gescheite Ausführung. Natürlich heißt es „servus“, natürlich ist er per du mit mir.
Da habe ich mir mein ganzes Leben lang das Maul verrenkt, um das ganze Gerät abbeißen zu können, das irgendwann seinen ganzen Senf auf einmal bazt – ohne zu wissen, dass so etwas möglich ist … Tja.
Das geht so:
Semmel in 2 Hälften schneiden, Senf drauf. Die Hälften aufeinander legen, leicht reiben – damit sich der Senf gleichmäßig auf den Flächen verteilt.
Wurst der Länge nach in 2 Hälften schneiden, beide nebeneinander in die Semmel legen, fertig. Passt schön gleichmäßig in den Mund, der Senf läuft nicht seitlich herunter, es sind nur 2 Handgriffe mehr zu tun … So etwas Schönes.