Ruderregattastrecke
Oberschleißheim

Juli 2021

Für die Sommer-Olympiade München 1972 wurde hier eine Strecke für Kanu- und Ruderboot-Wettbewerbe angelegt. Ein gutes Stück vom Olympiagelände entfernt und außerhalb der Stadt. Das Ganze steht noch.

Warum hier?
München steht auf einer schiefen Ebene und der sog. „Schotterebene“. Grundwasser läuft von den Alpen unterirdisch, auf einer Kiesschicht, nordwärts. Südlich der Stadt bohrt jede Gemeinde ein paar Meter in die Tiefe, um ihr Wasser zu gewinnen. Weil es viel Kalk enthält, typisch Bergwasser eben, ist es ein Traum für Knochen und Körper, aber ein Alptraum für Wasserkocher, Kaffee-, Spül- und Waschmaschinen. Nördlich der Stadt, und ein paar Höhenmeter tiefer, tritt es einfach zutage. Hier waren große Moorgebiete, die trockengelegt wurden. Doch noch immer brauchen diese Landschaften viele Bäche und Kanäle zur Entwässerung, weil das Grundwasser nachkommt …
Mit ein wenig buddeln ist so eine Wasserstrecke nicht so schwer anzulegen, das Becken ist 2,2 km lang. Und damit es bis Olympia nicht zuwuchert, wurden zuvor Forellen eingesetzt, um die Wasserpflanzen niedrig zu halten.

Die Arena fasst 25.000 Zuschauer, Parkplätze nebenan. Alles was fehlt, ist eine vernünftige Anbindung an den ÖPNV.
Das alles für etwa 2 Wochen Olympia. Und später noch 2 WMs. Dennoch sieht es aus, als stehe es seit der Olympiade leer, und wirkt eher wie ein „Lost Place“.


Die Architektur ist bemerkenswert und hat einen Preis gewonnen. Sie folgt dem hier vorherrschenden Landschaftsbild der „Heckenlandschaft“, alles ist eher flach, aus Holz oder damit verkleidet. Jetzt, wo ich’s weiß, erkenne ich’s auch.

 

Ein Jogger gibt auf, die Strandbar ist geschlossen, eine Inline-Skaterin kommt vorbei, ein Mädchen sitzt auf einer Bank und liest ein Buch. Ein Schwimmer krault nach hinten, 3 Boote rudern. Mehr ist an diesem Wochentag nicht los.
Während meine Frau über unglaubliche Nutzungskonzepte fantasiert, bin ich mit knipsen beschäftigt. In den ungepflegten Wiesen sind verschiedene Azur-/Jungfern (Libellen) unterwegs – alle klein, schlank, leise und sehr wendig. Seit ich sie sehe (ca. 2 Jahre) faszinieren sie mich. Die Bestimmung finde ich sehr schwer – sie sehen sich sehr, sehr ähnlich und selbst Experten wissen oft nicht weiter … Es sollten sein:
- Speer-Azurjungfer
- Fledermaus-Azurjungfer
- Gemeine Becherjungfer

Dann krabbelt noch eine dicke Blattwespe o.ä. über den Weg und hockt sich ins Gras, du meine Güte – so eine hatte ich noch nie gesehen.


Nach 17:42 Min. kommt die Inline-Skaterin wieder vorbei, dreht ihre nächste Runde. Die Boote trudeln unmotiviert auf dem Wasser, der Schwimmer kommt tatsächlich wieder zurück. Die Forellen leben immer noch im Wasser. Das Mädchen sitzt noch auf der Bank und liest.

An der immer noch geschlossenen Strandbar vorbei passieren wir das Gebäude. Alle Streben der Tribüne werden schon gestützt. Blumen und kleine Bäume wachsen überall heraus, nichts sieht mehr richtig benutzt aus. Es sieht wirklich nach „Lost Place“ aus.

Daran wird sich wohl nicht viel ändern, denn seit 2018 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.
Immerhin gab es zuvor, 2014, einen Ideenwettbewerb zur Nachnutzung des Geländes. Die erfolgversprechendsten Vorschläge sahen alle einen Komplettabriss vor.

o.l.: für Auswärtige: dieser Sticker ist dem Etikett des Augustiner-Hell-Bieres nachempfunden, wirbt allerdings für den Fußballverein 1860 München

r.u.: der Parkplatz, mit den wiederverwendeten Pflastersteinen aus München

 

A propos „lost“: die Pflastersteine des Parkplatzes stammen aus München, als dort die Straßen modernisiert und geteert wurden, wurden also „recycelt“. Und falls sich jemand wundert, wie z.B. ich, warum sie so weit auseinander gelegt sind, dass das ganze Auto schaukelt: in den Zwischenräumen ist Platz für heimische Blumen. Ich hatte uns übrigens, das ist kein Witz, neben ein anderes Auto geparkt; damit wir uns nicht ganz so verloren fühlen. Der nächste übrigens auch. (Oder weil es nahe am Ausgang war, und der Erste das wusste?)

Wir drehen noch eine Runde um den Regattaparksee, ein ehem. Baggersee. Buchfinken flattern herum, Enten schlafen. Dann kommt noch eine Entenfamilie vorbei, dessen furchtlose Küken sich nicht von Menschen schrecken lassen. Es müssten Pfeifenten sein (die angeblich hier leben / oder vielleicht hybridisiert?). dabei leben Pfeifenten hier nicht, eher in Nord-Ost-Europa. Im Mitteleuropa gibt es nur wenige Populationen – und hier haben sich wohl einzelne Tiere angesiedelt.

2.v.o.l.: der Schwebelbach. It's so gorgeous!

2.v.o.r.:Blick ins Dachauer Moos

2.v.u.l.: wenn die Enten zu nahe kommen: die Notrufsäule ist nie weit

2.v.u.r.:dieser Riesen-Bärenklau o.ä. ist so groß wie ich


Bei allen Tierfotos bitte ich um Korrekturen / Kommentare / Hinweise, wenn ich falsch liege.

Für einen Wochentag, an dem überhaupt nichts los war, gab es hier mehr als genug zu sehen, finde ich.

 

#Achtsamkeit #lostplace



ANHANG

 

 

o.l.: Maulwurf oder Wühlmaus, die ewige Frage ... Oder ein anderes Tier?

o.r.: Wer ist "Mermaid Killer"? Ein Tier? Der Character in einem Game? Oder ist das Zeichen ganz unten ein Hinweis auf die Waschmaschine, und mit "Mermaid Killer" ist Weichspüler gemeint ???

u.r.: versteckte Leitplanke an einem Fußweg ... was soll sie mir sagen?